Herr Prof. Dr. Kauffeld, als Sprecher des Instituts für Kälte-, Klima- und Umwelttechnik der Hochschule Karlsruhe haben Sie den besten Einblick: Wohin geht die Forschung?
Da gibt es viele Themen, zum Beispiel Energiespeicher und erneuerbare Energien. In Kälteanlagen, bei denen ich sowieso zu irgendeinem Zeitpunkt die Kälte brauche, kann ich diese zum Beispiel auch mit Überschussstrom herstellen und dann einfach auf der kalten Seite die Energie in Form eines thermischen Speichers sammeln. Dessen Wirkungsgrad ist, je nachdem, wie gut er in die Anlage eingebunden ist, irgendwo zwischen 60 und 90 Prozent angesiedelt. Wenn ich ihn also gut auslege und gut in die Anlage einbinde, dann kann ich da 90 Prozent Wirkungsgrad erzielen.
Wenn ich zusätzlich noch die Verflüssigungstemperatur absenke, kann ich insgesamt Energie einsparen. Denn in Deutschland ist es am Tag im Schnitt 15 Grad wärmer als in der Nacht. Pro abgesenktem Grad lassen sich zwei bis drei Prozent Energie einsparen. Das heißt, wenn die Kälteanlage zulassen würde, dass ich die Verflüssigungstemperaturen nachts um 15 Kelvin herunterziehe, dann könnte ich ca. 30 Prozent Energie einsparen – sofern ich die Kälte nachts erzeuge statt mitten am Tag. Wenn jetzt der Speicher an sich einen Wirkungsgrad von 90 Prozent hat und ich bei der Beladung dadurch 30 Prozent Energie einspare, dass ich nachts die tiefere Verflüssigungstemperatur fahre, dann komme ich rein rechnerisch in eine Größenordnung von etwas über 100 Prozent Effizienz. Das heißt, wenn ich Energie speichern will, und gleichzeitig Bedarf für Kälte da ist, dann ist die Speicherung von Kälte in Form eines Kältespeichers die effizienteste Art der Energiespeicherung. Und das ist etwas, das garantiert auch in Zusammenhang mit einer entsprechend intelligenten Regelung, die zum Beispiel eben diese Nachtabsenkung der Verflüssigungstemperatur ermöglicht, steht. Wenn ich das nicht mache, dann gewinne ich ja nichts. Wenn ich sage, ich verflüssige tagsüber bei 40 Grad oder ich verflüssige nachts bei 40 Grad, dann habe ich beide Male den gleichen Energieaufwand. Wenn ich aber nachts statt bei 40 Grad mit 25 Grad verflüssigen und dadurch Energie einsparen kann, dann ergibt das Ganze Sinn.
Was muss so eine intelligente Regelung noch können?
Am besten bezieht sie noch das Wetter der Zukunft mit ein. Wenn ich den Energiespeicher nutzen will, um den Einsatz von erneuerbaren Energien zu fördern, dann ist es sinnvoll, wenn meine ganzen Speicher wissen: O. k., morgen regnet es und es ist windstill. Das heißt, ich kriege nichts aus den Windgeneratoren und ich kriege auch kaum was aus der Photovoltaikanlage. Wenn ich aber im Gegensatz dazu morgen vielleicht einen windigen Sonnentag erwarte, dann kann ich quasi meine Speicher komplett leeren, weil ich weiß: Am nächsten Tag kann ich sie wieder aufladen. Ein Stück weit ist das von der Biologie abgeschaut, Bionik. Das mit der Speicherung ist genau das, was die Natur macht. Viele Lebewesen fressen sich im Sommer einen Fettspeicher an, der im Winter dann aufgebraucht wird.
Ein anderes Thema sind ganz klar Geräusche. Energiewende, Elektroautos, Elektromobilität ist das eine, aber man braucht ja auch bei einer ganz simplen Heizung schon ein Umdenken und einen Umstieg. Ich könnte natürlich bei unseren klimatischen Bedingungen die ganzen Gebäude so gut dämmen und so gut mit einer Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung ausstatten, dass ich kaum noch zuheizen müsste. Aber bei den schon bestehenden Gebäuden geht das recht schlecht. Viele Häuser werden eben nicht im Passivhausstandard gebaut, also muss ich das anders machen. Jetzt kann ich das über eine Öl- oder Gasheizung machen oder ich kann eine Wärmepumpe nehmen. Aber schauen Sie sich mal an, was die Wärmepumpen an Geräuschemissionen haben: Bei den meisten Wärmepumpen mit Luft als Wärmequelle stehen Verdichter und Lüfter draußen. Wenn so eine Anlage dann 45 oder 50 db Schallpegel hat in der Nacht und nebendran wohnt ein Nachbar, der bei offenem Fenster schlafen will, dann ist das schwierig. Also da ist ganz sicher noch Bedarf. Man muss Verdichter leiser machen, genauso wie Lüfter, aber eben beides auch effizienter. Beim Verdichter an sich kann man so viel nicht mehr an Effizienz herausholen. Bei der ganzen Kälteanlage schon – das geht insbesondere über die Steuerung und Regelung der Kälteanlage.
Zur Person
Prof. Dr.-Ing. habil. Michael Kauffeld wurde 1962 in Darmstadt geboren. Seit 2006 ist er Sprecher des Instituts für Kälte-, Klima- und Umwelttechnik an der Hochschule Karlsruhe sowie seit 2009 Prodekan der Fakultät für Maschinenbau und Mechatronik. Auch durch seine Tätigkeiten als Entwicklungsingenieur und Projektleiter zahlreicher internationaler Projekte verfügt er über umfassende Qualifikationen aus Wirtschaft, Forschung und Lehre.
Was denken Sie, wie Unternehmen der Branche auf den Fachkräftemangel reagieren können? Wie können wir junge Menschen für die Kältetechnik begeistern?
Man müsste dieses extrem ausgeprägte Sicherheitsbewusstsein ein Stück weit zurückfahren. Wenn ich daran denke, was für Experimente wir früher im Schulunterricht gemacht haben und welche Experimente meine Kinder heute machen. Da werden Schutzbrille, Schutzkittel und Gummihandschuhe angezogen für einen Versuch mit Zitrone und Spülmittel. Selber herumzuexperimentieren, das fehlt heute komplett. Man müsste schon in der Grundschule anfangen, da gibt es so viele ungefährliche und interessante Sachen, die die Kinder machen könnten. Wir merken es ja hier an der Hochschule auch, dass wir immer weniger Bewerber für die technischen Fächer kriegen. Ein Stück weit ist es natürlich auch ein Imageproblem, denn die beste Kälte- oder Klimaanlage ist die, die man nicht hört und nicht sieht. Das fängt ja schon beim Kühlschrank an: Der Verdampfer ist inzwischen gut versteckt; früher hing der noch so, dass man ihn sehen konnte. Der Verdichter hängt hinten dran, aber in den seltensten Fällen wird der Kühlschrank mal von der Wand abgerückt und die Technik angeschaut. Wie sollen sich die Leute dann damit identifizieren?
… Das zu beantworten, bleibt eine Aufgabe für die komplette Branche. Herzlichen Dank für das Gespräch, Prof. Dr. Kauffeld!